Mein Geburtstag, an dem die Welt unterging ...

Heute ist mein 33. Geburtstag. An diesem Morgen um 10 Uhr gibt es in Deutschland laut Robert Koch-Institut nachweislich 7576 Personen, die sich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert haben und insgesamt 17 Todesfälle. Seit gestern habe ich zwei Wochen Urlaub, aber fast alle Pläne mittlerweile gestrichen. Seit zwei Tagen aktualisiere ich den ZEIT Online-Liveblog alle paar Stunden. 

Die Welt im Pandemie-Ausnahmezustand und dazwischen ich, die großen Wert darauf legt, den eigenen Geburtstag so zu verbringen, dass er mir im Gedächtnis bleibt. Nun ja. Bei diesem Anspruch genügt dieses Jahr prinzipiell Nichtstun: „Mein 33. Geburtstag? Was da so los war? Hm. Ach stimmt, Covid-19. Überall war das Klopapier ausverkauft. Richtig. Die Zeit der Verunsicherung, Panikmache und schlauen Ratschläge auf Instagram.“ (Soweit ungewöhnlich bis auf den letzten Punkt.) 

Einfach mal Brot kaufen am 17. März 2020.
Einfach mal Brot kaufen am 17. März 2020.

 Anfang Februar arbeitete ich selbst noch auf einer Messe in Hamburg und bereits im März kam es (nach anfänglichem Dementi) zur Absage der Leipziger Buchmesse. Der erste Meilenstein, der meine kleine Welt erschütterte. An einer Lesung nahm ich als Autorin noch teil, der Rest wurde abgesagt. Traurig aber vernünftig. Meine Stimmung bewegte sich in den letzten Tagen von „Alles halb so wild“ über „Na gut, dann mach ich halt mit, obwohl ich nicht zur Risikogruppe gehöre“ bis hin zu „Krass, die Welt dreht durch!“.

Schulen schließen, Oper, Theater, Konzerte - die Stadt Leipzig sagt ab. Ich spüre einen Kloß im Hals bei Ausdrücken wie "Shut down", "Ausgangssperre" und "Katastrophenfall".

 

Skurrile Meldungen häufen sich auf Facebook und in den Mails.

Inzwischen versuche ich einfach nur alles richtig zu machen und Ruhe zu bewahren.

Und auch der heutige Tag, mein Geburtstag, nimmt seinen Lauf. Geschäfte bleiben wohl geschlossen und ich bleibe in meinem Stadtteil. Mein Mann überrascht mich mit einem Geburtstagsfrühstück, ich genieße die Sonne beim Spaziergang mit dem Hund. Wir schauen ein paar Folgen einer Serie und trauen uns abends raus, um beim Imbiss an der Ecke die letzten Reste mit nach Hause zu nehmen und zu verputzen. Ich bin glücklich.

 

Familie und Freunde rufen an, schreiben Nachrichten und sogar zwei Ständchen habe ich bekommen. Eine Geburtstagskarte und zwei Päckchen lassen mein Herz höher hüpfen! Dieses Jahr freue ich mich über Wünsche und Grüße ganz besonders und denke: Mein Leben ist schön. Ich habe es gut. Die Vögel singen, mein Mann liebt mich, mein Hund bringt mich zum Lachen und ich kann meine Miete bezahlen. Die Welt spielt verrückt und alles macht mir weiterhin ein bisschen Angst. Aber mir geht es gut. Ich werde auch weiterhin versuchen, alles richtig zu machen, um andere nicht zu gefährden. Ich versuche zu glauben, dass das Glück im Kleinen die richtige Entscheidung ist und Höherem zugute kommt. Im Treppenhaus biete ich der älteren Nachbarin meine Hilfe an, ich habe ja Urlaub und Zeit. Wollte ich nicht sowieso die Wohnung entrümpeln und einfach mal ausruhen, wieder lesen? Dem Hund Tricks beibringen, zusammen neue Orte entdecken und in der Erziehung vorankommen? Zeit mit meinem Mann verbringen? Alles andere wird nun einfach verschoben. Davon geht die Welt nicht unter.

 

Meine Geburtstags-Tradition wahre ich: Etwas zu tun, das ich vorher noch nie getan habe. (Während ich diese Zeilen schreibe, nutze ich zum ersten Mal meine RollerMouse für ergonomisches Arbeiten. Auch für den Fragebogen zum Testzeitraum habe ich jetzt endlich Zeit, liebe Lena.)

 

Ich warte ab und wünsche euch alles Gute. Passt auf euch auf, wir überstehen das. Und wenn das Klopapier ausgeht, benutzt eben Waschlappen. Und an meinen Geburtstag werde ich mich nicht nur erinnern, weil die Welt den Atem anhält. Sondern auch weil ich ihn auf eine seltsame Art besonders genießen konnte. Ein Geburtstag, an dem mir das Lächeln einer alten Dame, die meinen verrückten Pudel sieht, besonders zu Herzen geht. Ein Geburtstag, der mir gezeigt hat, wie gut es mir geht und an dem ich meiner Familie, meinen Freunden und meinem Mann sehr dankbar bin. Ein Geburtstag, an dem ich über das richtige Maß nachdenke, zur Ruhe komme und allen das Beste wünsche. 

Vielen Dank an Olimamapapainagudrunwulfrolfolafyvonnelenamareikegabymariannkerstinchristianennobastipatricksteffichristianemarkusdanieldaniel. 💕